Rechtsextreme Chats, Datenmissbrauch, Sexismus am Arbeitsplatz, Polizeigewalt: Die Liste der Skandale, mit denen Polizeibedienstete in der jüngeren Vergangenheit Schlagzeilen gemacht haben, ist lang. Unter der Domain mach-meldung.org bringen die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) und die Alfred Landecker Stiftung ein neues Projekt zum Thema Whistleblowing bei der Polizei an den Start. Es soll Polizeibedienstete ermutigen, aktiv gegen Missstände in den eigenen Reihen zu werden.
Berichte über rassistische, sexistische und rechtsextreme Tendenzen in der Polizei würden oft nur durch Zufall oder durch mutige Stimmen von Aktivist:innen, Betroffenen oder Polizist:innen bekannt, heißt es zum Projektstart von der GFF. Hier will das Projekt ansetzen, um das Wissen innerhalb der Polizei rund um das Thema Whistleblowing zu erhöhen und damit zu einer besseren Fehlerkultur beizutragen.
Konkret soll das Projekt Polizist:innen über Möglichkeiten des Whistleblowings informieren sowie Beratung und Schulungen bieten. Dafür macht das Projekt unter anderem auf das neue Hinweisgeberschutzgesetz aufmerksam, das Behörden vorschreibt, Meldewege zu etablieren und Whistleblower:innen zu schützen.
Bislang kaum Meldestellen auffindbar
Derzeit würden sich Behörden immer wieder gegen Hinweisgeber:innen wenden, anstatt gegen die von ihnen benannten Missstände vorzugehen. So wie im Fall von Claudia Puglisi, die heute Polizeidirektorin in Niedersachen ist und als Kooperationspartnerin am Projekt mitwirkt.
Sie habe selbst negative Erfahrungen als Hinweisgeberin machen müssen und hätte sich damals mehr Informationen und einen besseren Schutz gewünscht, heißt es in der Pressemitteilung der GFF: „Ich habe nur meine Pflicht als Polizistin erfüllt, indem ich Anzeige gegen einen Kollegen erstattet habe, der Kolleginnen sexuell belästigt hatte.“ Trotzdem sei ihr vorgeworfen worden, „schmutzige Wäsche“ zu waschen und der Polizei zu schaden. Statt unterstützt zu werden, sei sie ausgegrenzt worden. Eine bereits in Aussicht gestellte Beförderung sei wieder zurückgenommen worden.
„Polizist:innen dürften keine persönlichen und beruflichen Nachteile erleiden, wenn sie ihre Stimme gegen Unrecht aus den eigenen Reihen erheben,“ kritisiert Franziska Görlitz, Juristin und Projektkoordinatorin bei der GFF. Das Projekt solle Menschen aus der Polizei Mut machen, diesen Weg zu gehen und ihnen mit dem Infoportal die nötigen praktischen und rechtlichen Informationen liefern.
Dazu gehört auch ein Meldestellenfinder, mit dem Interessierte herausfinden können, an wen sie sich in ihrem Bundesland mit Hinweisen wenden können. Doch bislang wird man hier nicht für alle Bundesländer fündig. Sucht man beispielsweise nach Meldestellen in Baden-Württemberg oder Berlin, findet man lediglich den Hinweis, dass für dieses Bundesland noch keine Informationen über Meldestellen vorliegen.
Insofern dokumentiert das Portal derzeit auch sehr anschaulich, wie weit der Weg ist, den die Polizeien in Deutschland noch zurücklegen müssen, damit es zu einer echten Fehlerkultur und sicheren Bedingungen für Hinweisgeber:innen kommt.
Vor 26 Jahren starb Hans-Jürgen Rose. Nun kommt heraus: Sein Tod könnte in Verbindung mit dem Polizeirevier stehen, das Jahre später wegen des Todes von Oury Jalloh bekannt wurde. Roses Hinterbliebene haben nun vier Polizisten angezeigt.
Roses Tod ist nicht der einzige Fall, der im Zusammenhang mit dieser Polizeiwache steht. 2002 wurde Mario Bichtemann in seiner Zelle tot aufgefunden. Die Ursache: Schädelbasisbruch.
Bei der Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau ist man zu keinem Interview bereit. Schriftlich heißt es, man könne die Fragen nicht beantworten, weil die Akte derzeit beim Generalbundesanwalt liege.
https://www.tagesschau.de/investigativ/kontraste/polizei-gewalt-revier-dessau-100.html